St. Rochus Friedhof Nürnberg

Paul Giessner - Autor Nuernberg
Paul Giessner

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Der St. Rochusfriedhof in Nürnberg

Vom Verkehrsknotenpunkt Plärrer wälzen sich zu Hauptverkehrszeiten die Blechlawinen über die Rothenburger Straße stadtauswärts. Doch inmitten von Lärm und Hektik erwartet einen etwa 400 m außerhalb des Spittlertors im Stadtteil Gostenhof eine ökologische Ruhe-Oase. Betritt man den St. Rochusfriedhof durch den südöstlichen Haupteingang in unmittelbarer Nähe der Friedhofskapelle, findet man sich in einer morbiden Idylle wieder. Dem weltbekannten St. Johannisfriedhof mit seinen sandsteinernen Liegegräbern sehr ähnlich, wirkt der St. Rochusfriedhof wegen des mangelnden Touristenstroms jedoch stiller und schwermütiger. Viele Jahrhunderte alte Bäume, aus deren Kronen zahlreiche Vögel zwitschern, runden die beschauliche Parkatmosphäre ab.

Dem historischen Ursprung lagen jedoch weit pragmatischere und düstere Umstände zugrunde.
Der Friedhof entstand wie auch der St. Johannisfriedhof zu Zeiten der Pestepidemie im Jahre 1518, um die Pesttoten der Lorenzer Seite aus hygienischen Gründen vor den Stadttoren beizusetzen. Bereits 1517 hatte Kaiser Maximilian Bedenken gegenüber den Friedhöfen rund um die beiden Nürnberger Kirchen St. Sebald und St. Lorenz geäußert, die er als Gefahr für die Stadtbewohner in der „zeyt der sterbenden läufft“, wie die kursierende Pest damals genannt wurde, ansah. Kurz darauf wurden die Bestattungen von St. Lorenz in die Nähe des damaligen Dorfes Gostenhof verlegt. Gleichzeitig wurde der Friedhof von St. Sebald nach Johannis verlegt. Der St.Rochusfriedhof wurde 1518 durch eine Sandsteinmauer eingefriedet und am 21. März 1519 geweiht.

Zur selben Zeit begannen der Rat, die Stadtpröbste, der Stadtbaumeister Hans Beham (auch Beheim genannt) sowie der Stifter und Patrizier Konrad Imhoff mit der Planung der St.Rochus-Kapelle. Imhoff hatte dem Rat den Kirchennamen und den Bauplan mit der Maßgabe „50 schuh langh, 25 weyt und alles gewölbt“ präsentiert. Die zermürbenden Verhandlungen waren vom Konkurrenzdenken zwischen den Sebalder und Lorenzer Pröbsten sowie Kompetenzgerangel geprägt. Da jedoch der Stifter Konrad zum Einen, als frommer Pfleger des Zwölfbrüderhauses und des Siechenkobels von St. Jobst galt und zum Anderen, als welterfahrener und vermögender Kaufmann und Ratsherr war, auf dessen finanzielle Versprechungen es dem Rat ankam, wurde die Kapelle für den Pest- und Familienheiligen Rochus in den Jahren 1520-1521 errichtet. Baumeister war Paulus Beham, der die Pläne seines Vaters Hans umsetzte. Kurz vor Einführung der Reformation war dies der letzte gotische Kirchenbau der Stadt. Von außen schlicht mit spätgotischen Zügen gehalten, gleicht das Innere der St.Rochus-Kapelle einer kleinen Schatzkammer sakraler Kunst. Dazu gehören kunstvolle Glasfenster, entworfen von Albrecht Dürer und seinem Schüler Hans von Kulmbach, die vom Glasermaler Veit Hirsvogel bemalt wurden.
Der Hauptaltar des Dürer-Schülers Wolf Traut birgt im Altarschrein eine Darstellung dreier Heiliger: Rochus zwischen Martin und Sebastian. Geschnitzte Figuren im Rosenkranz-Altar und die Flügelmalereien des Augsburgers Johann Burgkmaier von 1522 stehen bereits für das Einläuten einer neuen Epoche. Die Renaissance und der Humanismus kündigten sich in Nürnberg an. Darstellungen von Bürgern und Handwerkern neben Geistlichen und Königen stehen für ein wachsendes Selbstbewusstsein des Bürgertums und dessen Streben nach geistiger Freiheit. Diese Zeichen der Zeit hatte die reiselustige Handels- und Patrizierfamilie Imhoff früh erkannt. Seit Peter Imhoffs Tod im Mai 1528 diente die Kapelle als Familiengruft. Ein Bombenangriff 1944 verwandelte die Kirche in ein Trümmerfeld, was man ihr nach einigen Restaurierungen nicht mehr ansieht. Die Kunstwerke waren am Anfang des Zweiten Weltkrieges wie viele Nürnberger Kulturgüter in Sicherheit gebracht worden und überstanden die Kriegsjahre sicher in einem Burgverließ.
Die Kapelle ist bis heute im Imhoffschen Familienbesitz und daher leider nur schwierig zu besichtigen, bzw. zu besonderen Anlässen zu mieten. Bei spontanen Friedhofsbesuchen steht man vor verschlossener Tür.

Beim Spaziergang lohnt genaues Hinsehen, denn auch auf dem St. Rochusfriedhof erzählen Jahrhunderte alte Epithaphien auf den einheitlichen Liegegräbern Nürnberger Kulturgeschichte. Da die hier bestatteten Bewohner der Lorenzer Stadt vorwiegend Handwerker und Kleinbürger waren, finden sich weniger verstorbene Berühmtheiten als auf dem St. Johannisfriedhof. Gleich am Eingang zeigt ein Hinweisschild jedoch auf die Ruhestätte des bekannten Nürnberger Bildhauers und Erzgießers Peter Vischer. Der Baumeister der St. Rochus-Kapelle, Paulus Beham liegt in deren nächster Nähe ebenso wie der Nürnberger Barock-Musiker Johann Pachelbel. Kunstvolle gusseiserne Symbole geben bildhaft Auskunft über den Berufsstand von Handwerkern, Metzgern, Kaufleuten, Künstlern, Komponisten, Assessoren, Predigern etc. Familienwappen kennzeichnen die Gräber von Patrizierfamilien, wie der Stromersche Liliendreipass im Epitaph, eines der ältesten Gräber von 1522 in der bevorzugten Nähe des Gotteshauses. Familientragödien aus früheren Jahrhunderten, wie die sehr hohe Kindersterblichkeit sind ein häufiges und erschütterndes Motiv. Allein im Jahre 1570 starben 1600 Kinder in der Stadt an Pocken. Die Berufsbezeichnung „Ehewirtin“ auf den Grabinschriften zeugt von einer weitaus höheren Wertschätzung der „Nur-Hausfrau“ in der Vergangenheit.

Vor allem im hinteren nördlichen Teil des Friedhofes gesellen sich zu den Liegegräbern auch Grabsteine und Stelen mit Kreuzen und verträumten Engelsfiguren aus dem 19. und 20. Jahrhundert dazu. Das sandsteinerne Leichenhaus mit der Urnenwand wurde in neuerer Zeit (nach dem Zweiten Weltkrieg) erbaut.
Dieser Nachkriegsbau und der Verlust alter Grabplatten verdeutlichen die Zerstörung von 1944. Der St. Rochusfriedhof wird heute noch belegt. Die denkmalgeschützten, erhaltenen Grabsteine müssen mit übernommen werden.

Aus dem Ursprung der Friedhofsgeschichte mit ihrem Pestheiligen dürfte die Nürnberger Redensart „...sonst holt dich der Rochus“ hervorgegangen sein.

Weiteres Bild vom St. Rochusfriedhof

Autorin: Silke Hillegeist

Unsere Autorin Silke Hillegeist ist Journalistin BJV, Werbetexterin und Lektorin. Als Theaterwissenschaftlerin M.A. und Kunstgeschichtlerin interessiert sich die Nürnbergerin mit einem Faible für Friedhöfe speziell für Kultur(-geschichte) und Lebensart ihrer Heimatstadt und Umgebung.

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Paul Giessner glänzt mit seinem fundiertem Wissen über die Geschichte und Kultur seiner Heimatstadt Nürnberg. Er hat eine Vorliebe für historische Recherchen, fotografiert gerne und ist somit ein geschätztes Teammitglied von Bayern-online.