Traditionsbrauerei Lederer in Nürnberg

Paul Giessner - Autor Nuernberg
Paul Giessner

Erstellt | Geändert

Die Geschichte der Traditionsbrauerei

Im Jahre 1468 beschließt der Hohe Rat der freien Reichstadt Nürnberg die Errichtung eines kommunalen "Herrenpreuhauses". 1581 verkauft die Stadt das Bräuhaus an den Nürnberger Brauer Conrad Wurm. Der technische und unternehmerische Fortschritt begann erst im Jahre 1814 mit dem neuen Besitzer, dem Bauer Christian Lederer, der die "Lederer – Brauerei" eröffnete.
Die Geschichte der Lederer Kulturbrauerei ist nicht nur Nostalgie sondern stellt in erster Linie ein Stück Stadtgeschichte, besonders der Zeit der Industrialisierung, dar. Das Gelände an der Bärenschanzstraße ist geradezu von der Geschichte umzingelt: das von der industriellen Revolution geprägte Gostenhof, die Reste der ehemals ausgedehnten Kaserneanlagen des bayrischen Militärs und die Fürther Straße, welche eine der ersten Eisenbahntrassen bildet, sind nicht nur eine zufällige Nachbarschaft. Sie sind in mancherlei Hinsicht mit der Geschichte der Lederer Brauerei verbunden.
Der reiche geschichtliche Hintergrund gab einen reizvollen Rahmen für die Gestaltung der neuen Brauerei. Die Räumlichkeiten, gestaltet nach Vorbildern aus dem Industriezeitalter, setzt mit Bilddokumenten, Exponaten und kurzen Erläuterungen den Besucher und die Besucherinnen in die Welt des 19. Jahrhunderts zurück.
Unter den sechs großen Nürnberger Brauereien des 19. Jahrhunderts nimmt die Lederer Brauerei eine besondere Stellung ein. Verzichtet man auf das bis heute in der Braubranche beliebte Jonglieren mit Jahreszahlen (wonach sich die Lederer Brauerei bis ins Mittelalter zurückführen lässt), beginnt ihre Geschichte mit dem Erwerb der Bauerschen Brauerei durch Christian Lederer im Jahre 1814. Damit setzt der kontinuierliche Aufstieg des kleinen Brauhauses zu einem Weltunternehmen ein, und das Jahrzehnte vorher bevor die anderen Akteure wie Tucher, Reif und Zeltner die Bühne betraten. Das Bedeutende daran ist nun nicht, dass die Lederer Brauerei die "Erste" war, sondern, dass sie alle wirtschaftlichen Phasen des 19. Jahrhunderts durchlaufen hat. Auf Diese Weise stellt die Brauerei den Aufstieg eines im handwerklichen Milieu verhafteten Betriebs zu einem florierenden industriellen Unternehmen dar — eine Entwicklung, wie sie für das Nürnberger Gewerbe typisch war.

Der Gründer des Familienunternehmens, Christian Lederer, war ein aus Thalmässing stammender gelernter Brauer und Wirt des Gasthauses "Goldenes Lamm" in Wöhrd. Er war zudem mit der Halbschwester des namhaften Hopfenhändlers und Reformers Johannes Scharrer verheiratet und dadurch mit einer Familie verbunden, die schon seit Generationen Braugewerbe im Nürnberger Umland betrieben hatte. Der Kauf der Brauerei in der Weizenstraße, welches sich in der Nachbarschaft des ungleich bedeutenderen staatlichen Weizenbrauhauses befand, zeugte von ungewöhnlicher Risikobereitschaft. Dennoch fand dieser Kauf doch unter wenig hoffnungsvollen Umständen statt. Die Nürnberger Wirtschaft lag, geschwächt durch die langen napoleonischen Kriege, am Boden und die Absatzchancen für Bier auf dem städtischen Markt waren bei einer Bevölkerung von etwa 25.000 Einwohnern, von denen etwa ein Viertel von Hunger und Armut bedroht war, nicht gerade rosig. Außerdem erforderte der Erwerb einer Brauerei beträchtliches Kapital. Doch Lederer ließ sich durch die widrigen Umstände und die schlechten Zukunftsaussichten nicht abschrecken. Er kaufte die Brauerei für 18.000 Gulden, eine zu jener Zeit bedeutenden Summe. Sein Mut wurde belohnt: Nach der Hungersnot von 1816/17 ging es allmählich aufwärts. Schon wenige Jahre nach seinem Einstieg in das Braugeschäft stieg der Bierverbrauch, wohl aufgrund des nun einsetzenden Bevölkerungswachstums und der niedrigen Getreidepreise, in Nürnberg stetig an. Teilweise sogar über 40% pro Jahr.
In den 1830er Jahren beschritt Lederer für seine Branche ungewohnte Wege. Als im Dezember 1835 die erste Eisenbahn Deutschlands zu ihrer Jungfernfahrt von Nürnberg nach Fürth aufbrach, transportierte sie als Fracht zwei Fässer Lederer Bier. Lederer hatte wohl erkannt, welche ungeahnten Möglichkeiten das neue Verkehrsmittel der Braubranche eröffnen würde. Tatsächlich ermöglichte es die Eisenbahn maßgeblich, dass sich das ursprünglich nur auf dem örtlichen Markt verbrauchte Bier seit Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem wichtigen Exportartikel Nürnbergs entwickelte.
Zur gleichen Zeit entschloss sich der findige Brauer zu einer weiteren ungewöhnlichen Maßnahme: Ähnlich wie einige der früheren Fabrikunternehmer schickte er seinen Sohn Georg auf eine Reise nach England, um die dortige Brauindustrie zu besichtigen. Mit von der Partie waren zwei andere Brauersöhne, die bald zur europäischen Berühmtheit der Branche gehören sollten: Gabriel Sedelmayer, der spätere Münchner Biermagnat und Anton Dreher, der Gründer der Schwechater Brauerei, dessen Name bis heute in der größten ungarischen Biermarke fortlebt. Die drei Freunde studierten hier vor allem das Brauverfahren, dessen Ablauf bislang auf Erfahrungswerte beruhte und dementsprechend weder eine genaue Kalkulation der benötigten Rohstoffe, noch eine gleich bleibende Qualität des Endproduktes möglich war. In England benutzte man dagegen schon Messgeräte mit denen Stammgewürzgehalt und Gärungsprozess exakt bestimmt wurden und somit ein gleich bleibendes Brauergebnis erzielen konnten. Eines dieser Geräte, das Saccharometer, führte Georg nach seiner Reise in der väterlichen Brauerei ein.

Auch in anderer Hinsicht erwies sich Georg als moderner und aufgeschlossener Mensch, der die konservative Welt des alten Handwerks längst hinter sich gelassen hatte. So gehörte er in der Revolutionszeit dem liberalen Commiteé der Volksversammlungen an und musste als Steckbrief gesuchter "Oppositioneller" vorübergehend Bayern verlassen. Erst 1851 kehrte er nach einer Amnestie aus Frankreich zurück.
In dieser Zeit führte er den Betrieb endgültig aus dem handwerklichen Milieu hinaus und schuf die Voraussetzung für einen industriellen Baubetrieb. Er stellte nach seiner Rückkehr aus Frankreich in der Brauerei Dampfmaschinen auf und erwarb vor den Toren der Stadt, in unmittelbarer Nachbarschaft zum emporstrebenden Industrievorort Gostenhof, ein großes Grundstück, auf dem er die Errichtung einer modernen Produktionsstätte beabsichtigte. Die Realisierung seines Vorhabens erlebte er jedoch nicht mehr, da er nur wenige Monate später unerwartet verstarb.
Der Dampfbetrieb, den Lederer als erste Nürnberger Brauerei eingeführt hatte, stellte eine bahnbrechende Innovation dar. Vorgänge wie das Reinigen der Gerste, das Umrühren der Maische und Zuführen des Hopfensuds, die bis dahin in zeitraubender Handarbeit ausgeführt worden waren, wurde nun von Maschinen übernommen. Der Einsatz von Dampfkraft war zu dieser Zeit in Nürnberg keineswegs selbstverständlich. Die meisten Betriebe arbeiteten noch mit Muskel — und Wasserkraft, und die ersten Dampfmaschinen, die in den 1840er Jahren in Betrieb genommen wurden, stießen auf heftige Proteste der örtlichen Handwerker und der Wohnbevölkerung, die den tobenden Lärm des Dampfkessels und die Unreinlichkeit der Kohlheizung nicht in ihrer Nachbarschaft dulden wollten. Doch der Zug der Zeit ließ sich nicht aufhalten, auch nicht in der Braubranche. Die Einführung der Dampfkraft wirkte wie eine Initialzündung. Innerhalb weniger Jahre setzte sich das Dampfbrauen nun in ganz Nürnberg durch.
Eine entscheidende Weiterentwicklung erfuhr die Brauerei nach 1867, als die Söhne Georgs, Johann und Gabriel, die Leitung von der verstorbenen Mutter übernahmen und die Brauerei 1871 auf das Gelände an der Bärenschanzstraße verlegten. Inzwischen war Nürnberg auf dem Weg zu einer industriellen Großstadt mit bereits annähernd 100.000 Einwohnern, zahlreichen Fabriken und mechanisierten Werkstätten. Wie schon bei der Unterschicht der vorindustriellen Zeit, wurde Bier nun Grundnahrungsmittel für das explosionsartig anwachsende Industrieproletariat.

Mehr noch als der innerstädtische Markt und die zahlreichen Eckkneipen des nahen Gostenhofs, wurde jedoch der Exportmarkt für die großen Brauereien bedeutsam. Technologische Entwicklungen wie der Transport per Eisenbahn und die Kühlung mittels im Winter gewonnenen Eises, später auch durch künstliche Kälte, sowie neue, länger haltbare Biersorten, hatten seit Mitte des 19. Jahrhunderts einen Export großen Stils möglich gemacht. Vor allem in den norddeutschen Städten, aber auch im europäischen Ausland und sogar in Übersee fand der Gerstensaft aus der Frankenmetropole reißenden Absatz. In den sechziger und siebziger Jahren nahm Nürnberg die führende Position unter der bayrischen Bierexportstädten ein; mit etwa 100.00 hl ( 1870) lag sie dabei noch vor Kulmbach und Erlangen. München folgte damals abgeschlagen auf dem 4. Platz.

Bei der rapiden Entwicklung des Exportgeschäftes stieß das Familienunternehmen bald an seine Grenzen. Gegen 1890 beschloss die Familie auf Anraten der gesundheitlich angeschlagenen Gebrüder Lederer, die Brauerei in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Auch dies war typisch für die Zeit der Hochindustrialisierung. Familienbetriebe wie das Elektrounternehmen Schuckert und die Cramer-Kletsche Maschinenfabrik gingen in dieser Zeit ebenfalls an die Börse. Unter dem ehemaligen Prokuristen Alexander Frech, der nun Vorstand der Lederer AG wurde, machte die Brauerei einen weiteren Sprung nach vorne: technisch auf den neuesten Stand gebracht, konnte sie bis Anfang des 20. Jahrhunderts ihren Ausstoß auf 100.000 hl verdoppeln.


Das Markenzeichen:
Die Umwandlung zur Aktiengesellschaft bedeutete auch die Geburtsstunde des Lederer Markenzeichens: Friedrich Wanderer, Nürnberger Künstler und Professor an der Kunstgewerbeschule, entwarf das charakteristische grüne Krokodil. Angeregt wurde er durch sein Stammlokal, die in den 1880er Jahren eröffnete Restauration "Zum Krokodil" in der Weintraubengasse.

Hier gelangen Sie zur Präsentation der Lederer Kulturbrauerei in Nürnberg
Paul Giessner - Autor Nuernberg
Paul Giessner

Erstellt | Geändert

Paul Giessner glänzt mit seinem fundiertem Wissen über die Geschichte und Kultur seiner Heimatstadt Nürnberg. Er hat eine Vorliebe für historische Recherchen, fotografiert gerne und ist somit ein geschätztes Teammitglied von Bayern-online.